In einer kurzen, schonungslosen Geschichte blickt Tolstoi hinter die elegante Maske der russischen Oberschicht. Als unser Erzähler, Fürst Nechljudow, auf eine Mission in den Kaukasus geschickt wird, kommt ihm das Gesicht eines zerlumpten Soldaten seltsam bekannt vor. Hinter dem einfachen Gefreiten versteckt sich ein alter Bekannter aus Moskau, der für eine unschöne Episode degradiert und enterbt wurde. Im Laufe einer Nacht bemüht sich der Erzähler, dem gefallenen Freund einen neuen Weg zu öffnen. Aber waren es wirklich bloß die Umstände, die ihn von der Bahn haben kommen lassen?
Leo Tolstoi (1828–1910), eigentlich Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi, gilt weithin als einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller. Als Sohn eines Adelsgeschlechts wurde er in realitvem Reichtum geboren, studierte Jura und nahm als Soldat am Kaukasuskrieg teil. Die Erfahrungen, die er dort machte, wurden zur Grundlage seiner ersten Erzählungen. Nach dem Krieg widmete er sich zunehmend humanistischen Zielen und veröffentlichte mehrere Werke, darunter “Anna Karenina” und “Krieg und Frieden”, welche seinen weltweiten Ruhm begründeten. Tolstoi hinterließ ein beachtliches Werk, das sich häufig mit moralischen Fragen beschäftigt, und ihm seinen Status als Gigant der russischen Literatur sicherte.