Im März 2012 wurde in Darmstadt ein Beamter verhaftet, der 24.000 Bücher aus verschiedenen Bibliotheken entwendet und gesammelt haben soll.
Ein extremer Einzelfall?
Johann Georg Tinius (1764 1846) war Theologe, Pfarrer “auf dem platten Land”, wie man so schön sagt, und ganz bestimmt kein wohlhabender Mann. Trotzdem hatte er eine der größten Bibliotheken, die jemals privat zusammengestellt worden sind: Bis zu 40.000 Bände sollen es gewesen sein, wohlgeordnet und sicher verwahrt.
1813 wird er verhaftet: Er soll betrogen haben, um an Bücher zu kommen, gestohlen und gemordet.
Klaus Seehafer rollt den Fall mit kunstvollen Mitteln neu auf. In einem faszinierendem Textmosaik verknüpft der Autor biografische Referenzen mit moderner Psychologie, Rechtsgeschichte mit historischer Pflanzenkunde und stellt so die Schuld des Verurteilten grundlegend in Frage.
Der Fall Tinius bringt vor allem ein Thema zu Bewusstsein: das der Sinnlichkeit, der Erotik gedruckter Bücher.
An deren “magischer” Anziehungskraft scheint sich auch 2012 nichts geändert zu haben, wie der Fall des Darmstädter Beamten zeigt.